Freitag, 13. September 2024

[Rezension] Tödlicher Irrtum - Agatha Christie

[Rezension] Tödlicher Irrtum - Agatha Christie


Titel: Tödlicher Irrtum
Autor: Agatha Christie
Seitenzahl: 256
Verlag: Atlantik

ISBN-10: 3455006248
ISBN-13: 978-3455006247
Erscheinung Erstausgabe: 03.11.1958
deutsche Erstausgabe: 1960 - Feuerprobe der Unschuld

Genre: Kriminalroman
Handlungsort: Drymouth (fikitiver Ort) in England


Klappentext:

Stets hatte Jacko Argyle beteuert, seine Mutter nicht ermordet zu haben. Trotzdem wird er für die Tat verurteilt und stirbt kurz darauf im Gefängnis. Zwei Jahre später überbringt Arthur Calgary der Familie den Beweis für Jackos Unschuld. Diese ist wider Erwarten alles andere als erfreut, denn nun hat sie Gewissheit: Der Mörder muss einer von ihnen sein. Während das Misstrauen unter ihnen wächst, versucht Calgary, die Geheimnisse der Familienmitglieder zu ergründen, und muss bald lernen, dass die Wahrheit nicht immer der Gerechtigkeit dient.


Cover und Gestaltung:

Auf dem Cover sieht man den Unterkörper einer Frau in einer Blutlache liegen. Da das Opfer erschlagen wurde und man es in einer Blutlache aufgefunden hat, passt das Cover gut zur Geschichte. Auch wenn ich die Proportionen und den Körper, wie er da liegt etwas komisch und verdreht finde. Es ist daher nicht unbedingt eines meiner Lieblingscover aus dieser Reihe, aber generell mag ich das Reihendesign der Neuauflagen der Christie Bücher vom Atlantikverlag sehr gern, die nebeneinander im Regal sehr schön und einheitlich aussehen.


Meine Meinung:

"Tödlicher Irrtum" unterscheidet sich vom gängigen Aufbau der Agatha Christie Romane dadurch, dass es hier einen Fall gibt der schon 2 Jahre zurück liegt. Die Indizien gegen Jacko Argyle waren so erdrückend, dass er damals sehr schnell verhaftet wurde, aber kurz nach Haftantritt starb. Erst nach 2 Jahren erfährt Arthur Calgary davon, der Jacko damals zur Tatzeit im Auto mitnahm und ihm so hätte ein Alibi geben können.
Diese Ausgangssituation fand ich sehr interessant, da man nun im Prinzip wieder von null anfangen muss mit der Suche nach dem wahren Täter und die Herausforderungen dafür nach 2 Jahren natürlich sehr hoch sind, da es keine frischen Spuren mehr zur Sicherung gibt.

Arthur Calgary geht davon aus, dass Jackos Familie ihm sicher Vorwürfe machen würde, dass er sich jetzt erst meldet, aber wahrscheinlich auch erleichtert sein wird, dass ihr Sohn bzw Bruder nun rehabilitiert wird und späte Gerechtigkeit erfährt. Doch zu seinem Erstaunen ist die ganze Familie wenig erfreut über seine Aussage, denn erstens scheint niemand in der Familie wirklich richtig traurig über den Tod von Mrs Argyle gewesen zu sein und zweitens bedeutet die Unschuld von Jacko, dass jemand anderes von ihnen den Mord begangen haben muss.


„Es kommt nicht auf die Schuldigen an - nur auf die Unschuldigen.
(Seite 29)

Wie oft bei Agatha Christie ist es eine Geschichte um eine ziemlich dysfunktionale Familie mit sehr vielen Mitgliedern. Am Anfang brauchte ich ein bisschen, um alle Charaktere und ihre Rolle erfassen zu können. So hatte Mrs Argyle neben Jacko noch 4 weitere Adoptivkinder. Manche von ihnen sind mittlerweile liiert und deren Partner treten ebenfalls in der Geschichte auf. Außerdem spielen Mr Argyle und seine Sekretärin, die er nun bald heiraten möchte, sowie eine Haushälterin, die Mrs Argyle früher mit den Kindern half, eine Rolle.

Nach und nach wird klar, dass so ziemlich jeder von ihnen einen Grund gehabt haben könnte Mrs Argyle zu töten. Man erfährt wie krankhaft ihre Mutterliebe für die Adoptivkinder war. Sie wird als perfekte, und unfehlbare Übermutter beschrieben, die ihre Kinder so sehr behütete, dass sie sich fast alle eingesperrt fühlten, da sie keine eigenen Entscheidungen ohne ihre Mutter treffen konnten. Selbst bei der Berufswahl entschied die Adoptivmutter noch für sie. Sie sehnten sich nach Abnabelung, Freiheit und Selbstständigkeit und sind gleichzeitig teilweise traumatisiert davon, dass ihre leiblichen Eltern sie nicht wollten.

Das Buch zeichnet eher nicht so ein gutes Bild von Adoptionen, indem immer mal wieder erwähnt wird, dass dabei die Verbindung der Blutsverwandschaft ja fehlt.
Noch bemerkenswerter fand ich die scheinbaren Sichtweisen dieser Zeit zum Thema was den Lebensweg eines Menschen mehr bestimmt: Gene/Herkunft oder Erziehung. Für mich überraschend wird hier von mehreren Personen klar gesagt, dass die Herkunft bzw die Gene eigentlich schon den Lebensweg eines Menschen und die Frage, ob er zur Kriminialität tendiert, vorherbestimmen. Unter anderem von einem Arzt in folgendem Zitat:


Ich bin im Laufe der Jahre so manchem 'Jack' begegnet, und viele Eltern sagten dann, wenn es zu spät war: 'Hätten wir den Jungen in seiner Jugend doch nur etwas strenger angesfasst!' Ich persönlich glaube allerdings nicht, dass die Erziehung da einen großen Unterschied macht; wenn ein Kind einen schlechten Charakter hat, ist Hopfen und Malz verloren. (Seite 82)

Die Geschichte wird in der 3. Person aus Sicht von immer wechselnden Charakteren erzählt, was mir sehr gut gefallen hat, da man so auch die Gedanken von allen Verdächtigen mitbekommt und man so natürlich immer zwischen den Zeilen versucht zu lesen und anhand der Gedanken u Gespräche zu rätseln, wer davon der Mörder ist.
Es gibt viele Dialoge unter den einzelnen Familienmitgliedern, die ich aufgrund dieses Erzählstils, durchaus sehr interessant und kurzweilig fand und mir sogar besser gefallen haben, als die sonst eher eintönigen Verhöre der Verdächtigen durch den Inspektor.
Auch sind die Familienmitglieder sehr nervös und fangen an sich alle gegenseitig zu verdächtigen.

Einen der klassischen Ermittler (Hercule Poirot, Miss Marple, Tommy & Tuppence o.ä.) gibt es in diesem Krimi nicht. Es gibt zwar einen Inspektor, der die Familienmitglieder wieder neu befragt, aber sonst nicht häufig auftritt. Zusätzlich ist Arthur Calgary auf der Suche nach der Wahrheit, wobei dieser nur am Anfang und am Ende auftritt und im kompletten Mittelteil eigentlich fehlt. Dort haben wir dann eher Philip, den Mann von einer Adoptivtochter der Familie Argyle, der im Rollstuhl sitzt, sich langweilt und Spaß an Ermittlungen hat. Das Buch lebt aber wie oben beschrieben eher durch die Dialoge der Verdächtigen untereinander, als von der klassischen Ermittlungsarbeit.

Auf die Auflösung bin ich mal wieder selber nicht gekommen, insofern war das schon wieder gut gemacht. Allerdings gefallen mir die Auflösungen bei Büchern mit Poirot oder Miss Marple oft noch etwas besser, da diese dann meist auf vielen Indizien und einer scharfen Kombinationsgabe zum zusammen puzzeln beruhen, während bei Büchern ohne klassischen Detektiv die Auflösung oft mehr so zufällig erscheint, als als Ergebnis von Ermittlungen.
Zudem kommt hinzu, dass das Buch auch einige sehr unrealistische Sachen enthält (z.b. der Grund warum sich Arthur Calgary erst nach 2 Jahren meldet und das was einer Figur kurz vor Ende passiert).


Fazit:

"Tödlicher Irrtum" ist ein unterhaltsamer und kurzweiliger Kriminalroman, der mir durch die Ausgangssiuation des 2 Jahre zurück liegenden Mordes, des zu späten Alibis sowie durch die Erzählperspektive aus Sicht aller Verdächtigen, bei der man gut versuchen konnte mitzurätseln, gefallen hat. Auch wenn mir die Auflösungen bei Poirot oder Miss Marple, die meist auf vielen Indizien und einer scharfen Kombinationsgabe beruhen, oft noch ein bisschen besser gefallen.

 



Originalität    
  
 Umsetzung    

 Schreibstil     

 Charaktere    

    Tempo        
      
    Tiefe          
  
  Lesespaß      



3 Kommentare:

  1. Schönen guten Morgen!

    Toll dass dir dieser Krimi gefallen hat! Ich kenne ihn tatsächlich noch nicht, da ich ja erstmal die anderen Reihen "abarbeite" :D Die Einzelbände kommen aber auch noch dran, bzw. hab ich noch gar nicht geschaut, wie viele es eigentlich davon gibt. Bisher hab ich davon nur "Das krumme Haus" gelesen, weil ja vor einiger Zeit eine Verfilmung dazu rauskam.
    Ich wünsche dir jedenfalls weiterhin viel Spaß mit ihren Krimis, ich liebe ja vor allem die Atmosphäre der damaligen Zeit, die ja auch authentischer Sicht sehr schön wiedergegeben ist und man sehr gut spürt, wie die Autorin hier auf manche Sichtweisen von damals eingeht bzw. was sie darüber denkt :)

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Hallo,
      wenn man so die Liste auf Wikipedia durchschaut gibt es da schon so einige Einzelbände.

      Bei "Tödlicher Irrtum" gibt es übrigens auch eine neuere Verfilmung von 2018 als Mini-Serie mit 3 Folgen. Ich habe sie mir am Wochenende angeschaut. Dort spielen zwar die selben Personen mit den gleichen Namen wie im Buch mit, haben aber teilweise einen ziemlich unterschiedlichen Charakter zum Buch. Und der Knaller war, dass das Ende inkl. Täter völlig anders ist als im Buch. Aber dann hat man zumindest auch dann noch eine Überraschung wenn man das Buch schon kennt ;)
      Die ältere Verfilmung von 1985 zu diesem Buch habe ich noch nicht geschaut, werde das demnächst aber noch machen.

      Viele Grüße, Julia

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    2. Ich verstehe immer nicht, warum bei den Verfilmungen desöfteren mal einfach solche Abwandlungen gemacht werden... im Buch hat es ja so funktioniert, wieso belässt man es nicht dabei??
      Sobald ich an die Einzelbände komme, muss ich auch mal auf die Suche nach den Verfilmungen gehen, ich mag das auch ganz gerne, wenn ich mir nach dem Lesen dann die Filme - oder auch die Serie anschaue.

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