Montag, 3. Juni 2024

[Rezension] Wie man die Zeit anhält - Matt Haig

[Rezension] Wie man die Zeit anhält - Matt Haig


Titel: Wie man die Zeit anhält
Autor: Matt Haig
Seitenzahl: 384
Verlag: dtv

ISBN-10: 342321810X
ISBN-13: 978-3423218108
Erscheinung Erstausgabe: 20.04.2018
Genre: Belletristik
Handlungsort: größtenteils London (zwischendurch andere Länder)


Klappentext:

Keiner lehrt Geschichte so lebendig wie er ‒ und das hat einen guten Grund: Tom Hazard, Geschichtslehrer und verschrobener Einzelgänger, sieht aus wie 40, ist aber in Wirklichkeit über 400 Jahre alt. Er hat die Elisabethanische Ära in England, die Expeditionen von Captain Cook in der Südsee, die Literaten und Jazzmusiker der Roaring Twenties in Paris erlebt und alle acht Jahre eine neue Identität angenommen. Eines war er über die Jahrhunderte hinweg immer: einsam. Denn die Nähe zu anderen Menschen wäre höchst gefährlich gewesen. Jetzt aber tritt Camille in sein Leben. Und damit verändert sich alles.


Cover und Gestaltung:

Das Cover zeigt die Rückansicht eines Mannes, der durch ein großes rundes Fenster, dass die Gestalt einer Uhr hat, auf London blickt. Es passt damit perfekt zur Geschichte und auch der Titel kommt öfters im Buch vor, in Momenten in denen Menschen überlegen, wie sie die Zeit anhalten und wichtige Augenblicke festhalten können.
Auch die bräunliche Farbgebung des Covers finde ich sehr schön, da sie fast wie Sepia wirkt und somit natürlich sehr gut zu Toms epsiodenhaften Erinnerungen aus der Vergangenheit passt.


Meine Meinung:

Das Thema "Zeit" in jeglichen Variationen spricht mich in Büchern ja immer an. Hier haben wir mit Tom Hazard einen Protagonisten, der 439 Jahre alt ist, da er nur ganz langsam altert. Während andere Menschen 15 Jahre älter werden, altert er gerade mal um 1 Jahr.
Geboren um 1581 durchlebte er so mehrere Jahrhunderte an Geschichte, sieht Menschen kommen und gehen und bekommt aufgrund seiner, für normale Menschen kaum wahrnehmbaren Alterung Anfeindungen und Todesdrohungen. Während des Zeitalters der Hexenverfolgung und des Aberglaubens ist er daher auf einer ständigen Flucht. Aber auch in der Neuzeit, wo man Fotografien von sich nur schwer entgehen kann, wird es immer schwieriger sich zu verstecken.

Als er erfährt, dass es auch andere Menschen wie ihn gibt. schließt er sich der "Gesellschaft der Albatrosse" an. Aus Angst entdeckt und als Forschungsobjekte mißbraucht zu werden, leben diese Menschen im Verborgenen. Alle 8 Jahre muss Tom für die Gesellschaft einen Auftrag erfüllen und bekommt von dieser danach eine neue Identität, um woanders neu starten zu können, so dass seine langsame Alterung niemanden auffällt. Die oberste Priorität der Gesellschaft ist es sich nicht zu verlieben oder auf Normalsterbliche einzulassen, da sonst alle Albatrosse in Gefahr sind.


Wenn man lange genug lebt, merkt man, dass jede erwiesene Tatsache irgendwann widerlegt und dann erneut bewiesen werden kann. (Seite 48)

Die Kapitel im Buch wechseln immer zwischen Gegenwart und Vergangenheit ab, wobei auch die Vergangenheit nicht chronologisch erzählt wird, sondern man zwischen den Jahrhunderten hin und her springt. Kleine geschichtliche Einblicke in verschiedene Epochen sowie Begegnungen von Tom mit historischen Figuren wie Shakespeare, Thomas Cook oder Fitzgerald sind sehr gut mit in die Geschichte eingeflochten und es machte viel Spaß Tom durch diese verschiedene Stationen zu begleiten.


Doch je länger man lebt, desto deutlicher erkennt man, dass nichts unverrückbar feststeht. Jeder Mensch wäre irgendwann ein Flüchtling, wenn er nur lange genug lebte. Jeder würde sehen, dass Nationalität auf lange Sicht wenig Bedeutung hat. Jeder würde erleben, dass sein Weltbild auf den Kopf gestellt und seine Überzeugungen widerlegt werden. Jeder würde begreifen, dass es nur eine Sache gibt, die den Menschen ausmacht und das ist die Menschlichkeit. (Seite 60)

Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive von Tom erzählt. So kommt man dem Protagonisten in all seinem Seelenschmerz, seiner Einsamkeit und seiner Flucht vor sich selbst sehr nah. Anhand seiner Figur kann man sehr gut nachvollziehen, dass ein Leben nicht nur, wie wir in unserer kurzlebigen Zeit denken,  zu kurz sein kann, sondern eben auch zu lang. Sein Gehirn ist gar nicht dafür geschaffen, alles was er während 4 Jahrhunderten erlebt hat und die Verluste die er erleiden musste, zu verarbeiten. Immer wieder plagen ihn daher "Erinnerungskopfschmerzen". Auch ist er verzweifelt auf der Suche nach dem Sinn seines so langen Lebens, den er nicht sieht. Wäre da nicht die Suche nach seiner Tochter, die die selbe Eigenschaft hat langsam zu altern wie er, hätte er sich während der letzten Jahrhunderte schon öfters selber das Leben genommen.


Du hast keine Wahl, wo du geboren wirst, du kannst dir nicht aussuchen, wer bei dir bleibt, du kannst über vieles nicht entscheiden. Das Leben folgt bestimmten Gezeiten, wie die Menschheitsgeschichte auch.
Aber trotzdem gibt es Raum für Entscheidungen. Dinge, bei denen du die Wahl hast.
(Seite 181)
 

Die Geschichte ist sehr ruhig erzählt und man sollte keinen rasanten Pageturner erwarten, was aber auch nicht zu dem Buch passen würde. Denn die Atmosphäre ist besonders in der ersten Hälfte sehr melancholisch, bedrückend und geprägt von Toms Seelenschmerz, seinen Ängsten Personen, die er liebt durch seine Andersartigkeit nur zu schaden und der Angst vor noch mehr Schmerz, der ihn daran hindert überhaupt zu leben und ständig weglaufen lässt.
Im weiteren Verlauf des Buches bekommt dieses aber dann eine lebensbejahendere Einstellung und zu der Erkenntnis, dass wir unsere Vergangenheit nicht verändern, sondern nur in Erinnerung behalten können und die Zukunft nicht voraussehen können, so dass es viel wertvoller ist im Hier und Jetzt zu leben und dies in vollen Zügen zu geniessen.


Ich begreife, dass man frei sein kann. Ich begreife, dass man die Zeit anhalten kann, indem man aufhört, sich ihr zu unterwerfen. Ich ertrinke nicht mehr in meiner Vergangenheit, und ich habe keine Angst mehr vor der Zukunft.


Fazit:

"Wie man die Zeit anhält" ist ein gefühllvoller, melancholischer, poetisch und teilweise philosophisch geschriebener Roman über das Thema Zeit und Vergänglichkeit. Dem Leser werden durch die Gedanken des wunderbaren Protagonisten Tom, dessen Seelenschmerz und Sehnsucht man ganz nah miterlebt, viele tolle Botschaften mitgegeben, die nachhallen und sehr nachdenklich machen.

 



Originalität    
  
 Umsetzung    

 Schreibstil      

 Charaktere    
 

   Tempo          
      
    Tiefe           
  
  Lesespaß      




1 Kommentar:

  1. Schönen guten Morgen!

    Freut mich dass dir die Geschichte so gut gefallen hat! Bei mir ist es schon wieder eine Weile her, aber ich weiß noch, dass es mich auch sehr fesseln konnte und die Themen darin gut rübergebracht wurden :)

    Liebste Grüße, Aleshanee

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